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FOMO – Wie die Angst etwas zu verpassen unser Leben bestimmt
Dunkel Hell

FOMO – Wie die Angst etwas zu verpassen unser Leben bestimmt

Kinga Bartczak
Fomo - Die Angst, etwas zu verpassen

Was ist FOMO?

Wer kennt das nicht? Ein gemütlicher Freitagabend, ein Glas Wein und ein spannender Roman locken und doch fällt der Blick ununterbrochen auf das Smartphone. Letztlich gibt man seiner Neugierde nach und scrollt minutenlang die Timeline bei Facebook herab, nur um sich letztlich die Frage zu stellen: „Hätte ich meinen Abend nicht mit etwas spannenderen und sinnvolleren gestalten sollen?“ Freunde, die ihre Partyfotos posten, Anrufe von Kollegen, die einen unbedingt zum gemeinsamen Abendessen überreden möchten oder auch der eigene Partner, der sich unbedingt den neusten Kinofilm ansehen will. Die Angst davor, etwas zu verpassen oder seine Zeit nicht spannend und individuell genug zu gestalten sowie das schlechte Gewissen, welches einen plagt, wenn man bei einem scheinbar unwiederholbaren Ereignis fehlt, haben bereits seit einiger Zeit einen klaren Namen: FOMO –„fear of missing out“.

Sie haben diesen Begriff noch nie gehört? Mag sein, aber gefühlt haben wir das, was er beschreibt, alle einmal. Neu ist hierbei jedoch, dass die Angst etwas zu verpassen, nicht nur mit dem gesellschaftlichen Druck, sondern auch mit Neid zu tun hat. Natürlich sehen wir hinter begriffen wie Au-Pair oder Work and Travel das große Abenteuer und oft nicht das, was es ist: Babysitting und schlechtbezahlte Jobs als Kellner, Promoter oder Aushilfsarbeiter. Natürlich sehen wir das Haus und das tolle Auto unserer Freunde und nicht die Kredit- und Leasinggebühren, welcher diese die kommenden 50 Jahre monatlich abstottern müssen. Und wie neidisch sind wir doch auf den Hochzeitsmarathon, welcher Jahr für Jahr über uns her rollt und in welchem das Glück scheinbarer Traumpaare zelebriert wird. Selbstverständlich nehmen wir hierbei an, dass diese Paare füreinander geschaffen seien und sich wohl nicht mit den gleichen Diskussionen und Problemen herumschlagen müssen wie unsereins. Neid, gesellschaftlicher Leistungsdruck und die fortschreitende Digitalisierung machen es uns leicht, uns in dem Sog des FOMO zu verlieren.

Doch wie dagegen vorgehen? Ich für meinen Teil würde mein Handy nicht verbannen (siehe auch meinen Artikel zu “Digital Detox”) oder gesellschaftliche Anlässe meiden, damit mir niemand mehr von seinem tollen, dreiwöchigen Maledivenurlaub erzählen kann. Natürlich könnte man sich jetzt in Selbstdisziplin üben und versuchen sich einzureden, es sei einem egal was andere tun und man bestehe auf die eigene Gestaltung seines freien Abends. Die eigentliche Lösung ist jedoch viel einfacher:

Wertschätzung, Gelassenheit und eine Prise Humor – mein Rezept gegen das „FOMO-Syndrom“

  • Wertschätzung:

Ich habe gelernt, das was ich tue, wertzuschätzen. Ich liebe beispielsweise mein soziales Engagement oder meine Tätigkeit als studentische Mitarbeiterin. Ich freue mich so viel Liebe und Vertrauen von meinen Kolleginnen zu erfahren und dies auch zurückzugeben. Ich freue mich über jeden Blogartikel, den ich schreibe, da die Beschäftigung mit verschiedensten Themengebieten meinen Horizont erweitert und ich oftmals wertvolles Feedback erhalte. Ich erfinde mich neu, indem ich mich beispielsweise mit dem Thema Scrapbooking beschäftige und Spaß dabei habe, etwas wundervolles zu schaffen, dass einem lieben Menschen in Erinnerung bleiben wird. Ich erfreue mich an kleinen Dingen des Alltags, wie an dem lächelnden Gesicht einer netten Kassiererin oder der wärmenden Frühlingssonne, die es mir ermöglicht, mein Fahrrad wieder aus dem Keller zu holen. Ich weiß meine Fähigkeiten, die Menschen in meiner Umgebung und die Kleinigkeiten des Alltags zu wertschätzen und das macht es mir viel leichter, anderen mit Freude zuzuhören, wenn sie von ihrem neuen Auto oder von der letzten Party erzählen.

Fomo-Wertschaetzung-Gelassenheit-Humor

  • Gelassenheit:

Nehmen Sie das Leben ab und zu mal etwas leichter. Ihre Nachbarin hat sich gerade einen neuen Garten mit frischen Kräutern und tollen Blumen angelegt? Wunderbar! Werfen Sie keinen Blick auf Ihre Flurablage, auf der sich die neusten Rechnungen befinden, schüren Sie keinen Neid, sondern versuchen Sie das zu tun, was Sie sich an Stelle Ihrer Nachbarin ebenfalls wünschen würden – aufrichtige Freude für den tollen Garten. Ihre Kollegin kommt braungebrannt aus dem letzten Urlaub? Wie schön! Legen Sie ihr keinen Stapel an Arbeit auf den Tisch und deuten mit einer gewissen Genugtuung daraufhin, dass der Urlaub ja jetzt vorbei sei und die Arbeit warte.

Fangen sie an zu Träumen! Fragen sie an welchen Orten Ihre Kollegin war, machen Sie ihr ein Kompliment für ihren tollen Teint und bitten Sie sie, Ihnen doch ein paar Urlaubsfotos zu zeigen. Sie haben keinen Grund neidisch zu sein, denn die Phase der Wertschätzung liegt ja bereits hinter Ihnen. Sie werden sehen, dass wenn Sie anfangen, sich aufrichtig mit anderen zu freuen, Ihnen diese mit derselben Freude begegnen werden. Sie erhaschen öfter einen freundlichen Blick, ein ‚Dankeschön‘, ein nettes Lächeln oder ein Kompliment. Das FOMO-Syndrom kann Ihnen hierbei nichts anhaben, denn Sie verpassen ja gar nichts! Ein schöner Blumenstraß von ihrem Liebsten, ein anerkennendes Wort von Ihrem Vorgesetzten oder ein netter Plausch beim Café mit einer engen Freundin – Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass diese Dinge weniger wert sind, als gebräunte Haut und ein wenig Sandstrand? Durch Wertschätzung und Gelassenheit sind sie auf dem besten Wege zur Immunität, gegen eine sich fortlaufend entwickelnde Volkskrankheit, welche durch zunehmenden Besitz, höhere Leistungsforderungen und natürlich auch die Maschinerie der Werbebranche stetig wächst. Der letzte Punkt liegt mir persönlich sehr am Herzen.

  • Die Prise Humor:

Wenn Sie ältere Menschen befragen, was diese in Ihrem Leben am meisten bereuen, dann sind es nicht materielle Dinge oder Ereignisse, die sie zu verpassen glaubten. Die Antwort ist recht simpel – sie bereuen jegliche schlechten Gedanken und Gefühle, denn sie verbittern uns und (so behaupte ich) verkürzen auch unser Leben. Nehmen sie nicht alles im Leben so ernst. Natürlich gehören Tod und Krankheit zu den Dingen, die selbst mit schwarzem Humor schwer zu bewältigen und verarbeiten sind, doch außerhalb dieser Ereignisse, ist die Kraft des Humors grenzenlos. Rechnungen, ein kaputtes Auto, leeres Konto, Stress im Job, Streit mit dem Partner – alles nicht tragisch, wenn man beginnt, nicht Problem sondern Lösungsorientiert zu denken. Schauen Sie sich doch mal ein paar lustige Videos an, lesen Sie sich Witze durch, lachen sie mal so laut und ausgiebig, das Ihnen die Luft wegbleibt – klingt banal und löst auch die Probleme nicht, doch Sie werden sehen, dass danach die Welt um einiges bunter wirkt.

Siehe auch
Empowered Women-Auf dem Weg zu einer Revolution der sexuellen Bildung-Artikelbild2

Und wenn Ihre Freunde das nächste Mal von einer super Fete schreiben und Ihnen erzählen, dass Sie unbedingt hätten dabei sein sollen, dann greifen Sie dieses Thema doch mal auf und schreiben einen Post bei Twitter mit den Worten: „Die einzige und beste Party der Welt verpasst,…wie schade“ #JOMO Haben Sie die Ironie bemerkt? Und den veränderten Hashtag? JOMO ist nämlich die humorvolle Impfung gegen FOMO und bedeutet „joy of missing out“. Das heißt im Klartext: „Ich bin mir bewusst das eure Party toll ist, doch mein Glas Wein, meine liebste Kuscheldecke, der zu lange liegengebliebene Roman oder eine ausgiebige Fahrradtour, sind für mich gerade das absolut Richtige.“

Jomo und die Freude, etwas zu verpassen

Nachgefragt:

Wie geht ihr mit Freunden um, die über die sozialen Medien stetig ihre tollen Erlebnisse posten? Nehmt ihr es mit Wohlwollen, Neid oder mit Humor auf?
Was ist euer persönliches „Geheimrezept“, um mit dem FOMO-Syndrom umzugehen?

Über die Autorin

Website | + Beiträge

Kinga Bartczak berät, coacht und schreibt zu Female Empowerment, neuer Arbeitskultur, Organisationsentwicklung systemischen Coaching und Personal Branding.

Zudem ist sie Geschäftsführerin der UnternehmerRebellen GmbH und Herausgeberin des FemalExperts Magazins.

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5 Kommentare
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8 Jahre zuvor

[…] Abkürzung Fomo steht für “Fear of missing out” und bedeutet, dass wir uns manchmal in der Angst ergehen, etwas gaaaaanz Wichtiges zu vergessen. […]

Selina
8 Jahre zuvor

Ich glaube, dass der ständige Vergleich mit anderen einem selbst nicht gut tut. Das fängt an mit Neid über die Besitztümer anderer, bis hin zu verbissenen Ehrgeiz, da der andere bessere Leitungen als man selbst abliefert.
Anstatt im ständigen Wettkampf mit den anderen zu sein ist es viel angenehmer, nur sein eigenes Ziel im Auge zu haben. Jeder kommt auf seinen eigenen Weg ans Ziel – egal ob dies länger dauert oder nicht, und ob dieses Ziel vielleicht etwas tiefer gesteckt ist als das des anderen. Hat man dieses Prinzip verinnerlicht, sollte FOMO der Vergangenheit angehören!

Kinga Bartczak
Kinga Bartczak
Admin
Antwort an  Selina
8 Jahre zuvor

Liebe Selina,

Herzlichen Dank für deinen tollen Kommentar!
Ich gebe dir völlig recht, auch wenn der Prozess der Verinnerlichung ein sehr schwerer ist und wir, in diesem auch oft zurückgeworfen werden.
Einen Versuch ist es jedoch immer wert und man kann sich ja täglich darin üben 🙂

Lg
Kinga

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8 Jahre zuvor

[…] Belastbarkeit kommt es hier an. Seien Sie jedoch vorsichtig, dass Sie hierbei nicht dem sogenannten FOMO-Syndrom […]

trackback
3 Jahre zuvor

[…] Konsequenzen zu tragen. Hat man hingegen stets Angst, etwas zu verpassen (siehe meinen Artikel zu FOMO) oder scheut sich gar überhaupt Entscheidungen zu treffen, so fühlt man sich stets als Opfer der […]

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